31. Mai 2012

AUF LIEBE UND TOD

François Truffaut (Frankreich, 1983)
Bevor sich Truffaut ein Jahr später endgültig von dieser Welt verabschiedete, legte er noch ein Jahr zuvor mit "Auf Liebe und Tod" seinen allerletzten Film vor.
Mord bei der Entenjagd. Alle Finger deuten auf Trintignant, den kleinen Immobilienmakler von nebenan, der bei seinen Jagdausflügen als Einziger das gleiche Kaliber wie das der Mordwaffe benutzt. Truffaut zeigt zum allerletzten mal, was er für ein großer Hitchcock- und Film Noir-Fan ist. Fanny Ardant, hier als Trintignants Sekretärin, übernimmt schließlich die Führung und stellt auf eigene Faust Nachforschungen an, während Trintignant, Arbeitgeber und Hauptverdächtiger, nutzlos im Keller seines eigenen Büros haust, um nicht entdeckt zu werden.
Truffaut wollte schon immer Klischees vermeiden, also tauscht er die (Geschlechter)Rollen; lässt Frau schnüffeln und Mann hilflos herumhocken. Nicht zuletzt, um seine geliebte Ehefrau Fanny Ardant ins Bühnenlicht zu rücken, die hier von allen Seiten angestrahlt wird; das felsenfeste Musen-Denkmal ist errichtet, eine Liebeserklärung.
Die Hauptdarsteller sind toll, die messerscharfen Schwarzweiß-Bilder ebenso, bloß ist der Film selbst zu sehr auf den konventionellen Krimi getrimmt, so dass man das Gefühl nicht loswird, Truffaut hätte uns bloß mit einem überdurchschnittlichen letzten Werk zurückgelassen.

30. Mai 2012

SABOTEURE

Alfred Hitchcock (USA, 1942)
Stellen wir den "Unsichtbaren Dritten" erstmal nach hinten, ebenso "39 Stufen".
"Sabotuere" liegt zeitlich zwischen diesen beiden Filmen und behandelt ebenso das Thema des zu unrecht Beschuldigten, der auf seiner Flucht, das ganze Land durchkreuzt.
Ausgangspunkt ist der Sabotageakt in einer Flugzeugfabrik. Der Arbeiter Barry (Robert Cummings) gerät fälschlicherweise ins Visier und hechelt von da an von einem Ort zum anderen, von einem Problem zum nächsten, versteckt sich zunächst bei einem alten blinden Mann, der dennoch den Flüchtling in Handschellen "durchschaut", sich aber großherzig auf seine Seite stellt. Die hübsche Enkelin darf auch nicht fehlen und später finden beide Unterschlupf beim Zirkusfolk; Hitchcock nutzt diese vielseitig zusammengesetzte Figuren-Collage, um Moralisches und Menschliches anzusprechen. Die vielen Wege führen dann schließlich direkt in die Sackgasse der höchsten verbrecherischen Sphären; der Film kehrt seiner ländlichen Seite den Rücken zu und gipfelt im Großstadttrubel. Und weil Hitchcock es oftmals gerne mit einem dick aufgetragenen Showdown übertreibt, lässt er hier den Helden und seinen Widersacher direkt auf der Freiheitsstatue den letzten Kampf ausfechten.
Alleine schon die skurrilen Zirkusartisten sehen zu dürfen und sie von dieser poetischen Seite zu zeigen ist eher ungewöhnlich für den Suspence-Großvater; damit nimmt er schon etwas vorweg, was später Fellini oder Bergman gerne erzählen wollten.
Vor allem ist es wieder ein sehr facettenreicher Film, der seine Entwicklung von Figuren und Handlung stets auszubalancieren weiß und vor dessen enormen Aufwand man den Hut ziehen sollte, wo doch einer solchen Produktion sicherlich der Weltkrieg auf den Geldbeutel drückte.

29. Mai 2012

ICH FOLGTE EINEM ZOMBIE

Jacques Tourneur (USA, 1943)
Schlägt man das "Horror Cinema"-Buch vom Taschen-Verlag auf, springt einem gleich der schwarze Glubschaugen-Voodoo-Mann entgegen; eins der unheimlichsten Bilder in diesem Sammelband. Grund genug, um endlich den Film nachzuholen, aus dem dieses Motiv hervorgeht.
"Ich folgte einem Zombie" stammt aus der Zeit der geschwätzigen Horror-Filme, wo viel geplaudert, manches angedeutet und wenig wirklich gezeigt wurde. Je nach Verhältnis, kann das zu einem äußerst befriedigenden Ergebnis führen und dem archaisch-naiven Gruselfaktor steht dann nichts mehr im Wege.
In Jacques Tourneurs Film ist der Aufbau und die Entwicklung der Story eher durchwachsen, hat aber streckenweise sehr atmosphärische Augenblicke: das ist zum einen die Szene wenn die junge Krankschwester Betsy (Frances Dee) zum ersten mal auf der Insel ihrer apathischen Patientin begegnet und sich schließlich auf ihre gemeinsame, nächtliche Spritztour zu den Voodoo-Zeremonien begibt, von denen sich Betsy erhofft, die kranke Frau des Plantagenbesitzers endlich aus ihrem tranceähnlichen Zustand befreien zu können. Beides atmosphärisch sehr dichte Szenen, irgendwo zwischen Lugosi-Horror, dem deutschen Expressionismus und der thematisierten Voodoo-Mystik. Kleiner Film mit netter Nachwirkung.

28. Mai 2012

MOONRISE KINGDOM

Wes Anderson (USA, 2012)
Es muss sie einfach geben, die großen Kinder unter den Regisseuren, die sich nur in eigenen Welten wohlfühlen, die jegliche Regeln missachten und ihr eigenes Kino kreieren. Wes Anderson ist einer jener Filmemacher, die in einzelnen Szenen und bunten Bildern denken, der für seinen jüngsten Film sogar nach Stift und Zettel griff, eine Landkarte zeichnete und damit tatsächlich eine ganze Welt erschuf. Und das ist auch schön, bloß möchte Anderson alle Süßigkeiten auf einmal und das führt bekanntlich zu Bauchweh.
Seine (Liebes)Geschichte über den 12jährigen Sam, der aus einem Pfadfinderlager flieht, um mit Suzy durchzubrennen, die ihr neurotisches Elternhaus hinter sich lässt, ist ein wahrer Augenschmaus eines pingeligen Wahnsinnigen, der kein optisches Detail dem Zufall überlässt. Hier trifft Trapper-Romantik auf Jugendfilm, Françoise Hardy auf Hank Williams, Generationskonflikte auf Familiendramen. Von allem etwas also; zusammengeschmissen, mit vielen Stars besetzt und gut geschüttelt, bis ein absurd groteskes Etwas herauskommt, das optisch betört, aber seinen beabsichtigten Humor verfehlt und die unerschütterlich agierenden Darsteller einer überstilisierten Geschichte ausliefert. Das ist Stil, aber keiner, der durchwegs überzeugt.
Bis zum bitteren Ende sitzenzubleiben lohnt aber zweifellos, sonst entgeht einem der schönste Film-Nachspann seit langem.

22. Mai 2012

POSSESSION

Andrzej Żuławski (Frankreich, Deutschland, 1981)
Żuławskis altes Teufelswerk, verstümmelt, verpönt und nach Jahrzehnten doch noch in voller Länge auf DVD erschienen. Man weiß auch nicht, von welcher Seite man es anpacken soll, denn "Possession" entzieht sich allen narrativen Konventionen. Vielleicht ist das so ein hinterhältiger Żuławski-Trick, den er schon bei "Dritter Teil der Nacht" angewendet hat, weil seine Geschichten im Verlauf zunehmend (alp)traumhafter werden.
"Possession" lebt vor allem von seinen Genre-Überschneidungen, die von dem anfänglichen Beziehungsdrama zu einem schauerlichen Monster/Horror-Symbolismus überschwappen. Es heißt, der Regisseur würde in diesem Werk seine damalige Scheidung verarbeiten, also haben wir hier einen höchst persönlichen Film, der den eigenen Schmerz mit absurden Mitteln verschleiert.
Auffällig ist jedoch: die Horror-Ansätze wirken gerade so bedrohlich, weil sie von dem anfänglichen Ehedrama umschlossen werden; häufen sich jedoch die phantastisch-surrealen Motive und das theatralische Agieren der Darsteller zunehmend an, geht dem Film jede Art von Realismus verloren, mit dem sich der Zuschauer ansonsten identifizieren könnte. Aber vielleicht soll er das auch gar nicht. Vielleicht sollen wir einfach nur in dieser allegorischen Übersteigerung ergründen, wie zwei Menschen seelisch zerbröckeln, sich selbst und ihr Gegenüber zerfleischen.
Bruno Nuytten ist hier an der Kamera; später durfte er selbst mit Isabelle Adjani einen Film machen. („Camille Claudel“).
Żuławskis Kino möchte vor allem lauter und kontrastreicher sein und in ungewohnter Farbgebung erstrahlen. Mit diesem Effekt gelangt er auch schließlich bei seinem filmischen Thema an. Ein Weg, der über Leichen führt; um so kompromissloser das Ergebnis.

21. Mai 2012

HUNGER

Steve McQueen (USA, 2008)
In einer Zeit, in der New Hollywood-Veteranen entweder im Tiefschlaf liegen oder es sich in flauschigen Pantoffeln gemütlich gemacht haben, ist es unerlässlich, dass jemand wie Steve McQueen an den Betten rüttelt. Der Regisseur ist zumindest bisher von der Gabe gesegnet, problemlose Wohlfühlthemen gekonnt zu umschiffen, wie es früher Scorsese, Coppola oder Peckinpah bestens verstanden.
Zwei Film gehen bisher auf sein Konto; mit Michael Fassbender hat er seine Muse gefunden und "Hunger" ist das erste Werk, mit dem man eigentlich kaum etwas falsch machen kann: der Tisch ist stilvoll gedeckt und serviert wird ein engagiertes Kino über das IRA-Mitglied Bobby Sands, der im nordirischen Maze-Gefängnis der 80er Jahre in den Hungerstreik ging, weil er nicht als politischer Gefangener anerkannt wurde.
Der Erzählfluss schwappt aber auch in einen interessanten Seitenarm über: Der Film beginnt mit der Rohstudie eines Gefängniswärters, als einen Mann, der wie andere morgens zur Arbeit geht, seinen Job "pflichtgetreu" ausführt und schließlich als Privatperson in der Öffentlichkeit von einem Attentäter erschossen wird.
Fassbander macht sich gut; hat ja auch für die Rolle des Bobby Sands 20 Kg abgespeckt; mehr körperliches Engagement lässt sich kaum zeigen und viel schauspielern muss man da nicht mehr; er kommt seiner Figur nicht nur nahe, sondern tritt ihr bereits auf die Füße.
McQueen outet sich also als Schauspieler-Regisseur und Charakterkino-Lieferant. Bloß kann man nur hoffen, dass ein routinierter Lieblings-Schauspieler und die ewig strapaziösen Themen nicht zum ermüdenden Manierismus werden.

20. Mai 2012

CRACKS

Jordan Scott (Großbritannien, 2009)
Ridley Scott hat also eine Tochter, die in Vaters Fußstapfen treten möchte. Betonung auf „möchte“, denn es gibt noch viel zu tun.
Mädcheninternat in England der 30er Jahre. Schon kommen die alten Bilder wieder hoch, aus Peter Weirs  Internat-Klassikern „Picknick am Valentinstag“ und ein wenig „Club der toten Dichter“. Auch in „Cracks“ steht im Zentrum die verträumte Unschuld der Schülerinnen; alles bildhübsche Gören auf dem malerischen Internatsgelände verstreut; Mensch und Natur, oder: die Unschuld im Grünen.
Eva Green ist hier die emanzipierte Turnlehrerin, immer chic, immer nett anzusehen, immer wegführend, eine attraktive Autoritätsperson und Vorbild, mit moderner Herangehensweise, die die Mädchen mit anzüglicher Literatur und nächtlichem Nackt-Schwimmen  aus der Konserve befreit.
Schließlich der Plotpoint: ein spanisches Mädchen aus aristokratischen Kreisen ist eines Tages Neuzugang im Internat, wird zum Liebling der jungen Lehrerin; ganz zur Ärgernis der anderen Mädchen, die ihre neue Mitschülerin nicht akzeptieren und loszuwerden versuchen. Eva Greens Zuneigung zu der jungen Spanierin wird hingegen zur Abhängigkeit und Besessenheit und gipfelt in skandalösen homosexuellen Anspielungen. Gleichzeitig wird uns vor Augen geführt, dass die Lehrerin sich nur im vertrauten Umfeld des Internats geborgen und sicher fühlt, jedoch schon bei einfachen Einkäufen in der Stadt unter enormem psychischen Druck steht. Eine Gefangene ihrer Selbst, in einer eigenen kleinen Welt.
Das ist zumindest das, was der Film erzählen will, es aber leider nie überzeugend hinbekommt, weil er viel zu sehr mit seinen geleckt durchkomponierten Bildern beschäftigt ist und auch nie wirklich weiß, worauf er in welchem Moment sein Augenmerk richten soll. Viel zu oft entgleiten ihm nämlich seine Figuren und er ist hin und hergerissen zwischen Eva Green, der kleinen Spanierin und dem restlichen Gefolge.
Schöne Bilder, aber verpulvertes Potenzial. Ein Peter Weir für verträumte, kleine Mädchen.

18. Mai 2012

DIE ERDE IST UNSER SÜNDIGES LIED

Rauni Mollberg (Finnland, 1974)
Nicht nur die Erde ist sündhaft, sondern wenn man sich nicht schon viel früher mit solchen bemerkenswerten Filmen auseinander gesetzt hat.
Rauni Mollberg, wer ist das überhaupt? Scheinbar ein kleiner Meisterregisseur, der im stillen Kämmerchen seine Filme aus dem Nichts erschuf. Es ist jedenfalls kaum Material über ihn zu finden, dabei lässt sich ein Film wie „Die Erde ist unser sündiges Lied“ problemlos neben Jan Troells „Einwanderer/Neubürger“ Epos einreihen. Ähnlich wie sein schwedischer Kollege, schafft es auch der Finne, die skandinavische Folklore mit rustikaler Bauernidylle und des ländlichen Ambiente des kühlen Nordens in Einklang zu bringen und einem harten Existenzialismus vor die Füße zu werfen. Ein solches Kino ist dann leider dazu verdammt, nicht mehr zeitgemäß zu erscheinen, als würde es von längst geheilten Wunden erzählen, ein altmodisches Klagelied, wie man es seit je her auch im osteuropäischen Film gerne anstimmte. Aber wen kümmert das, wenn der Film gut ist und tief im Inneren zeitlos bleibt. Verarmte Dörfer wird es immer geben, die Leute paaren sich gerne, werden Opfer von Eifersüchteleien, bauen Luftschlösser für eine glücklichere Zukunft, müssen sich mit Brennholz aus dem Wald warmhalten und von Tierfleisch ernähren, so grausam das Rentier-Schlachten in diesem Film auch erscheinen mag: es ist das pure Leben in großen Bildern.

16. Mai 2012

DER SCHATZ DER SIERRA MADRE

John Huston (USA, 1948)
B. Travens Vorlage, John Huston als Regisseur und Humphrey Bogart als bärtiger Goldsucher im mexikanischen Sierra Madre. Das Abenteuer kann beginnen. Fred (Bogart) und Bob (Tim Holt) sind jedoch reine Anfänger auf dem Gebiet und holen sich den alten und erfahrenen Howard (Walter Huston) zur Hilfe, der den beiden Grünschnäbeln zeigt, wo es lang geht. Werkzeug und Maultiere werden organisiert und die Suche geht los, unter Strapazen unterschiedlichster Art: die nötige Erfahrung fehlt, so wird Goldstaub mit gewöhnlichem Sand verwechselt, man muss sich mit mexikanischen Räuberbanden und hinzugelaufenen Kontrahenten herumplagen, die entweder Waffen erbeuten wollen, oder ebenso Gold in der Gegend wittern.
Doch wie schon B. Travens Roman, ist auch Hustons Film weitaus mehr als ein reiner Abenteuerfilm, denn mit der Thematik der Goldsuche wird auf uns alle mit dem Finger gezeigt, wenn zeitlose Probleme wie Habgier, Freundschaft, Vertrauen und gegenseitige Abhängigkeit angesprochen werden. Die Goldsuche erweist sich nämlich als ein Riesenparadox, bei dem sich die Sucher selbst auf den Fuß treten: so bald man Gold gefunden hat, muss man es vor den anderen verstecken und permanent bewachen. Das gipfelt schließlich darin, dass man nachts völlig übermüdet am Lagerfeuer sitzt und die Waffen aufeinander richtet. Der persönliche Reichtum wird zu einer Plage, die zu mehr Problemen führt, als das ärmliche Leben davor jemals bringen konnte.
Hustons Film ist kein Western, kein Buddyfilm, kein wirkliches Abenteuer, aber eine Entlarvung des Menschen, als schwaches Wesen, das nicht mal vor Mord nicht zurückschreckt, wenn die Habsucht von ihm Besitz ergreift.
Und dann ist der Film noch von der Legende umwoben, wie B. Traven leibhaftig bei den Dreharbeiten erschienen sein soll, sich aber als Travens Mitarbeiter ausgab und somit weiterhin seinen Ruf des mysteriösen, gesichtslosen Schriftstellers aufrechterhielt.
Schöner Film, voller Mysterien.

15. Mai 2012

MOGAMBO

John Ford (USA, 1953)
"Mogambo", das ist die filmische Spritztour auf den schwarzen Kontinent, zu der Zeit als Hollywood des öfteren auf Afrikas Exotik zurückgriff und mit dem Safari-Film ein Subgenre schuf. Kein anderer Kontinent verfiel so beharrlich völlig ausgelutschten Klischees. Afrika war vor allem entweder das gefährliche Fleckchen Erde, oder das unbekannte Paradies von exotischer Flora und Fauna.
Wenn also eine derartige Kulisse auch noch auf eine banale Liebesgeschichte trifft, ist der Kitsch perfekt, bloß sitzt hier John Ford auf dem Regiestuhl. Was gut und schlecht zu gleich ist. Gut, weil er aus einem trivialen Inhalt die letzten erträglichen Reste herausquetscht, und schlecht, weil man sich trotzdem fragt, warum jemand wie Ford einen solchen Film gemacht hat.
"Mogambo" ist das große Eifersuchtsdrama; Clarke Gable als Großwildjäger in Kniestrümpfen und kurzer Hose; hin und hergerissen zwischen Ava Gardner (eine Tänzerin, die im Busch eher zufällig landet, weil sie von ihrer eigentlichen Einladung sitzengelassen wurde) und Grace Kelly (Ehefrau eines Anthropologen, die mit ihrem Mann angereist kommt, um Berggorillias zu erforschen).
Kurz aber schmerzlos: Ava will Clarke, er sie aber nicht, weil er in Grace verschossen ist. Die wiederum muss das Techtelmechtel mit Clarke vor ihrem Ehemann geheim halten. Da haben wir den Salat. Und im Hintergrund tobt der afrikanische Dschungel, die endlosen Steppen mit ihren Postkarten-Sonnenuntergängen und der schwarze Mann ist bloß der Diener oder stereotype Exot. Die gesamte Tierwelt (Achtung: reine Archivaufnahmen!) dient natürlich symbolischen Zwecken, weil jeder Gorilla für Clarke Gable stellvertretend ist und jede Gazelle für Grace Kelly. Es genügt aber nicht, dass wir uns das selbst zusammen spinnen dürfen, nein: auf diese Metaphern muss noch in den gehässigen Dialogen innerhalb dieses Liebesdreiecks hingewiesen werden. Das ist Ethno-Kitsch vom allerfeinsten.
Der Film wehrt sich tapfer dagegen, gut zu sein, also begnügen wir uns wenigstens mit der Augenweide Ava Gardner (stets im angesagten Office-Style mitten in der Wildnis) und der zerbrechlichen, immer schönen Grace Kelly. Das waren sicherlich auch schon damals die besten Gründe, diesen Film sehen zu wollen.

14. Mai 2012

ES

Ulrich Schamoni (Deutschland, 1965)
Als nach dem Krieg nicht nur Deutschland, sondern auch der deutsche Film in Schutt und Asche lag und nur in der Lage war, mit betäubender Langweile zu bestechen, da schlossen sich einige junge Wilde zusammen und riefen mit dem Oberhausener Manifest den deutschen Film zum neuen Leben, um sich dem problemfreien, deutschen Unterhaltungskino querzustellen.
Diese Anekdote ist ein alter Hut, könnte man meinen, denn etwas ähnliches ereignete sich ja schon etwas früher mit der Nouvelle Vague-Bewegung in Frankreich. 
Schamonis "Es" ist der Vorreiter dieses "neuen, deutschen Films", aber nicht ohne die französischen Vorbilder zu berücksichtigen. Der Unterschied ist, dass Schamoni nicht bloß stilistisch dieses zu vergreisen drohende Medium anrempelt, sondern auch noch ein damaliges Tabu-Thema anspricht und das große Skandal-Feuer entfacht: Schamonis Protagonistin ist schwanger, will es aber vor ihrem Freund verheimlichen, möchte unbedingt abtreiben und stößt bei jedem Arzt auf ablehnende Empörung und abgedroschene Moralpredigten.
Was nach einem schwermütigen Beziehungs- und Existenz-Melodrama klingt, bewahrheitet sich als ein lebhaftes Gesellschaftsportrait, nicht ohne Humor und einem beißenden Blick auf das Nachkriegsdeutschland als kleinbürgerliche Konserve, in der es nach Angst und Misstrauen müffelt. 
Und so wie es früher in Oberhausen verkündet wurde, Papas Kino sei tot, so sollten die heutigen, deutschen Regisseure ruhig öfters zu ihren filmischen Vätern hochschauen, wie etwa Ulrich Schamoni.

13. Mai 2012

DER LIEBESPAKT

Ilan Duran Cohen (Frankreich, 2006)
Hier wird zuallererst der alte Kniff genutzt, um das Publikum in dem ausgeworfenen Netz zu fangen, denn  Anna Mouglalis und Lorànt Deutsch sind sicherlich ansehnlicher als die echten  Simone de Beauvoir und  Jean-Paul Sartre. Egal, wenigstens gibt es was zu gucken.
Der Regisseur ist jedoch nicht an einer blutleeren Wiedergabe der wichtigsten Stationen der beiden Schriftsteller interessiert, die den meisten Biopics zum Opfer fallen, sondern kann von dem Liebespakt profitieren, den die beiden Künstler auch im wirklichen Leben geschlossen haben: Sartre und de  Beauvoir wollen zwar immer an erster Stelle füreinander da sein, doch um als Schriftsteller kreativ und produktiv sein zu können, wollen sie auch kontigente Liebesbeziehungen eingehen. Dass dieser Weg auch viele Probleme und nicht nur die erhoffte Inspiration mit sich bringt, liegt auf der Hand. Der Skandal wütet, und es tobt nicht nur die damalige Gesellschaft, bis hin zu de Beauvoirs Elternhaus, sondern es führt ebenso zu Spannungen und Eifersucht zwischen den beiden Hauptfiguren.
Zugegeben: das ist zwar nur ein kleiner, aber doch sehr feiner Film, der das berühmte Existentialisten Pärchen zwar niemals vollständig auseinandernehmen könnte, aber in seiner schwungvollen Inszenierung dennoch diesen komplexen Figuren halbwegs gerecht wird. Der Film nähert sich  nämlich seinem Ziel mit einer egozentrischen Arroganz, die dem echten Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir vielleicht nicht ebenbürtig, aber doch sehr ähnlich ist.

10. Mai 2012

HERR DER FLIEGEN

Peter Brook (Großbritannien, 1963)
William Goldings Romanvorlage war früher der Schrecken aller Lesemuffel und wurde deswegen bis ins Detail im Deutschunterricht seziert, um wehrlose Schüler zu ängstigen.
Ist ja auch ein engagiertes und zeitloses Thema, wenn man eine Gruppe Schuljungen nach einem Flugzeugabsturz auf einer unbewohnten Insel stranden lässt und zuschaut, wie aus zivilisierten, jungen Menschen, die gerade im Reifungsprozess sind, ungehobelte Wilde werden, die zunehmend an Tiere erinnern und auch so handeln.
Anfangs wird noch versucht, ein geordnetes System aufrecht zu erhalten, doch schon die Bestimmung des Anführers spaltet die Jungs in zwei Lager und diese Unverständigkeit führt schließlich zu einer Katastrophe.
Man könnte meinen, mit Goldings Vorlage befindet man sich inhaltlich auf sicherem Terrain und optisch schießt der Film auch über vieles hinaus, was zur damaligen Zeit gedreht wurde. Die Insel ist ohnehin ein Gefängnis und kein Paradies; paradiesisch sind bloß die Bilder, auf denen sich der Film ausruhen kann wie auf einem ganzen Lorbeerhaufen; hier treffen präzis durchkomponierte Bilder auf eine reportagenartige Kamera, die gekonnt zwischen den vielen Kindern umher kreist und das Geschehen beobachtet ohne sich aufzudrängen. 
Das genügt auch für ein geistreiches Sehvergnügen, doch am Ende ist es doch kein Film, nach dem man sich die Finger lecken würde. Der beklemmende Druck dieses unbewohnten Ortes ist viel zu wenig spürbar, ebenso diese Hilflosigkeit, das Fehlen der Autorität der Erwachsen, die geringe Lebenserfahrung... als wären all diese Dinge von der Meeresflut verdünnt oder gänzlich weggespült worden. Fast erscheint der dramatische Höhepunkt unbegründet.
Aber die Bilder;... sie sind es, die den Karren aus dem Dreck ziehen.

8. Mai 2012

FESSLE MICH!

Pedro Almodóvar (Spanien, 1990)
Der Film hat so etwas herrlich Hitchcock'haftes an sich: der Protagonist (ein unfassbar junger Antonio Banderas) als vermeintlich geheilter Ex-Psychopath, der aus der Anstalt entlassen wird und sich fest vornimmt, ein neues Leben mit Job und Familie anzufangen. Wie jeder normale Mensch. Doch geheilt ist er natürlich bei weitem nicht, sonst wäre es kein Almodóvar-Film: gerade mal die Luft der Freiheit erschnuppert, kidnappt er die attraktive Marina (Victoria Abril) von einem Filmset. Er lernte sie früher bei einem One-Night-Stand kennen und möchte nun ihre Liebe erzwingen, in dem er sie in ihrer eigenen Wohnung gefangen hält, wo sie sich langsam aber sicher in ihn verlieben soll. Beim Thema Familiengründung hat da der unzurechnungsfähige Banderas natürlich was missverstanden, aber dem verdanken wir dann auch diese anregende Geschichte um eine erzwungene Liebe, falsche Vorstellungen und wie sie am Ende doch zum erwünschten Ziel führen können.
Bereits vor über 20 Jahren war Almodóvars Welt festgelegt: die Farben sind bunter als bunt, überall Frauen, vor denen man auf der Hut sein sollte, Skurrilitäten, Sex, Gott, nur eben kein Rock'n Roll. Oder nur ein bisschen, wenn Antonio Banderas unter den Filmrequisiten eine lange Perücke findet.
Betritt man übrigens in den Anfangsszenen die Filmstudios, fühlt man sich an Fellinis "Intervista" zurückerinnert. Da hat es der Spanier tatsächlich geschafft, etwas von dieser wunderbaren Stimmung seines italienischen Kollegen einzufangen.

7. Mai 2012

REISE IN ITALIEN

Roberto Rossellini (Italien, 1954)
Wieder so ein Musenfilm, und nach der Auffrischung von "Stromboli" wieder einer von Rossellini, der mit pochendem Herzen um Ingrid Bergman herum tänzelt.
Hier macht er die Schwedin gemeinsam mit George Sanders zu einem britisches Ehepaar und schickt beide nach Neapel, wo sie eine geerbte Villa verkaufen wollen.
Im Bella Italia beginnt von nun an ein rührendes Beziehungsdrama und zeigt, wie ein pragmatischer Jurist mit fremden Frauen liebäugelt, während seine hochsensible, kulturell interessierte Ehefrau mit dem gesamten Land fremd geht, weil sie sich lieber alleine antike Bauten ansieht und sich mit den einheimischen Sehenswürdigkeiten und Naturphänomenen vertraut machen möchte.
An dieser Stelle fehlt dem Film eindeutig etwas Farbe im Gesicht, weil er sich als Schwarzweiß-Drama leider kaum den touristischen Postkartenblick auf Italien erhaschen kann. Aber egal, denn die Grundstimmung ist düster, die Kluft zwischen den Beiden wächst immerzu und das Ende dieser auf Gegensätzen basierenden Beziehung ist vorhersehbar. Um so merkwürdiger ist die Finalszene, in der Rossellini scheinbar doch noch unbedingt die Kurve für ein Happy End kriegen wollte (oder musste?).
Ein trauriger Film, über zwei Menschen die von ihrem neuen Umfeld entblößt werden, ins Grübeln kommen und sich für andere Wege entscheiden. "Wege" im Plural, denn den an den Haaren herbeigezogenen gemeinsamen Weg, wie er uns am Ende vorgegaukelt wird, nimmt man dem Regisseur nicht ab: diese Geschichte geht mit Sicherheit weiter.

INCIDENT AT LOCH NESS

Zak Penn (USA, 2004)
Werner Herzog packt seine Sachen und macht sich nach Schottland auf Nessie-Jagd. Klingt nach der nächsten exzentrischen Dokumentation des Müncheners Regisseurs. Der Blickwinkel ist bloß anders, denn hier geht es weniger um Loch Ness und das Monster selbst, sondern vor allem um die Produktion und Dreharbeiten dieses Unterfangens aus der Sicht eines zweiten Kamerateams unter der Regie von Zak Penn, der Herzogs Projekt produzieren soll.
Herzog ist natürlich der kindliche Abenteurer mit einem Faible fürs Geheimnisvolle; er ist der Mann, der am liebsten endlos auf die tristen Gewässer von Loch Ness blicken würde und für den das Monster ein ewig verborgener Mythos bleiben soll.
Penn als Produzent hingegen betrachtet die Sache von der kommerziellen Seite, packt ein amerikanisches Playmate knapp bekleidet in den See oder schmeißt eine Nessie-Atrappe ins Wasser als Fressen für die Kamera.
Es kommt zu einem Riesenzoff zwischen den beiden völlig unterschiedlichen Charakteren, bis schließlich sogar eine Waffe gezogen wird. Ab da wird's auch immer alberner, weil das meiste nur noch geschauspielert ist und man die Mockumentary meilenweit riechen kann.
Ein Sehvergnügen bleibt der Film trotzdem, vor allem wenn man als Zuschauer unvorbereitet an die Sache herangeht, wie eben bei einer normalen Dokumentation und am Ende doch nur von Werner, dem alten Schlitzohr, manipuliert wird.

3. Mai 2012

PANIK IM NEEDLE PARK

Jerry Schatzberg (USA, 1971)
Der New Yorker Sherman Square wird Needle Park genannt; hier tummelt sich alles, was an der Nadel hängt, selbstzerstörerische Überbleibsel der Gesellschaft, die vor kriminellen Taten nicht zurückschrecken, um an den nächsten Schuss zu kommen. Damit ist auch der gesamte erzählerische Kreis geschlossen: entweder gibt es Stoff und man ist weggetreten, oder es gibt keinen und man leidet noch viel mehr. In einer Beziehung wie der von Bobby (Al Pacino) und Hellen (Kitty Winn) führt das zum gegenseitigen Zerfleischen; ein permanentes Hoch und Tief, der nächste Schuss ist das höchste Lebensziel und macht die beiden zu egozentrischen Freaks. 
Schatzbergs erster filmischer Anlauf ist wagemutig aber nicht halsbrecherisch. Er lenkt zwar seine Figuren in unüberwindbare Sackgassen, doch mehr als in einen Strudel Junkie-Alltag geraten Bobby und Hellen kaum. Der Film ist dermaßen in sein Thema vernarrt, dass er so gut wie gar keinen anderen dramaturgischen Ansatz zulässt. Somit ist es der Drogenfilm schlechthin; zumindest wissen wir, wie man die Nadel richtig ansetzt, bloß schade, dass er darüber hinaus inhaltlich kaum herausschießt. Der beste Nebeneffekt bleibt: Coppola wurde angeblich hier auf den rotznäsigen Al Pacino aufmerksam. Was danach passierte, schrieb Filmgeschichte.

2. Mai 2012

ALICE IN WONDERLAND

W. W. Young (USA, 1915)
Lewis Carroll bleibt unnahbar, und selbst wenn man sich auf den Kopf stellt, kommt bei einer Verfilmung nicht mehr heraus als eine flüchtige Annäherung. Das Hauptproblem bei Alice-Filmen scheint die Definition der Zielgruppe zu sein, die unbedingt ein sehr junges Publikum ansprechen will, wo doch das Buch mit seinem absurden Humor, seinem Wortwitz und Sarkasmus weit über Kinderkram hinausreicht.
W.W. Youngs Version ist immerhin die Verfilmung, die sich am meisten an die Original-Illustrationen von John Tenniel anlehnt, was dem Film zugute kommt, denn Tenniels Verbildlichung prägte nun mal unsere Vorstellung von dieser Welt, wie sonst keine andere illustrative Umsetzung.
Optisch stimmt also alles; die Figuren wirken in den archaischen Kostümen zwar etwas gruselig, entwickeln aber dennoch den nötigen Alice-Charme. Leider ließ der Regisseur so ziemlich alles weg, wo Spezialeffekte aushelfen müssten; es gibt keine wachsende und schrumpfende Alice und der Sturz ins Kaninchenloch ist nur vage angedeutet. Unter solchen Mängeln gerät natürlich die gesamte Handlung ins Wackeln, vieles wirkt abrupt, unverständlich und irgendwann ermüdend.
Doch verzeihen wir ruhig solche Bagatellen; der Film wird schließlich bald Hundert!

1. Mai 2012

MY WEEK WITH MARILYN

Simon Curtis (Großbritannien, USA, 2011)
Michelle Williams ziert zur Zeit die Cover aller Illustrierten, ob im Monroe-Outfit oder nicht; man kommt nicht drumherum und sitzt dann auch schon bald im roten Kinositz.
Monroe war cool, Williams ist es (meistens) auch; die Zusammenstellung wirkt dennoch seltsam. Williams macht aber ihren Job ganz ordentlich, man ist angenehm überrascht bei all den wohlbekannten und gut einstudierten Bewegungen und Gesten, so lange man seine Finger von solchen Behauptungen lässt, Monroe wäre wieder zum Leben erwacht. Das will auch keiner, schon gar nicht bei einer solch völlig abgewetzten Ikone, die sich unsere Popkultur um den kleinen Finger gewickelt hat; auf Elvis' Schoß mit der Cola-Flasche in der Hand.
Bleibt die Frage: was will dieser Film dann überhaupt? Zumindest schaufelt er sich den Weg frei, von dem chronologischen Werdegang eines standardisierten Biopics und erzählt bloß eine kleine Anekdote aus Monores tragischem Leben.
Es geht um die Dreharbeiten zu Laurence Oliviers „Der Prinz und die Tänzerin“, die Mitte der 50er in Großbritannien stattgefunden haben. Monroe ist das undisziplinierte Naturtalent, die immer zu spät kommt und ihre Texte vergisst, Olivier ist der tobende Star und Profi, und dann gibt es noch einen Dritten im Bunde: den Engländer Colin Clark, 3. Regieassistent, Mädchen für alles und der eigentliche Grund für diesen Film: er ist die Schulter, an der sich die stets verletzte Monroe ausheulen kann, er ist der nette Kumpel, der naive Zuhörer, der Typ der glaubt, als Einziger diese komplizierte Frau zu verstehen. Und wenn „My Week with Marilyn“ die Regiearbeit des echten Colin Clarke wäre, könnte man noch ruhig behaupten, er setzt sich mit diesem Film ein Denkmal und möchte im Alter noch mal ein bisschen angeben.
Wenn der Film vorbei ist, hat man schon wieder die gleiche Monroe gesehen wie sonst auch, trotz des Augenmerks auf eine bestimmte Lebensphase. Diese Figur ist einfach zu überlegen, um sich von Klischees und Mythen lösen zu können und zu komplex und zu undurchdringlich, als dass jemand wie Simon Curtis oder Michelle Williams sie jemals enträtseln oder eine andere Seite an ihr entdecken  könnten. Solche Versuche bleiben sehenswert aber oberflächlich; lieber wieder in John Hustons „Misfits“ reinschauen.